Im Heavy Metal ist das Wort «Härte» allgegenwärtig. Von Rankings der «härtesten Songs der Welt» (metal.de) über Buchtitel wie Hard, Heavy & Happy (Nico Rose) oder Slogans wie «Louder Harder Faster» bis hin zu Songtiteln wie Hardwired (Metallica) zieht sich das Band der Härte durch diverse Subgenres. Aber was meint Härte im Metal eigentlich? Oft sind genau diejenigen Begriffe, die wir im (Metal-)Alltag ständig gebrauchen, inhaltlich ziemlich unscharf. Grund genug, der wolkigen Härte mit ein wenig analytischer Schärfe zu begegnen!
Auf inhaltlicher Ebene scheint auf den ersten Blick einigermassen klar zu sein, was Härte im Metal bedeutet: Krieg, Tod, Leid, Schmerz, Apokalypse, Seuchen – die typischen Metal-Themen in Text und Bild. Alles, was das Leben hart macht. Doch so einfach ist es nicht. Besagte Themen sind kein Alleinstellungsmerkmal des Metal. Auch im Blues ist man «down and out», der frühe Rap war stark von apokalyptischen Texten geprägt (z. B. The Last Poets), unzählige Folk-Barden besingen die Schrecken des Krieges, und die Furcht vor dem Tod ist Gegenstand vieler softer Pop-Songs. Die Unterschiede zwischen Metal und anderen Genres populärer und/oder subkultureller Musik sind damit nicht absoluter, sondern relativer Art. Allenfalls neigt Metal stärker zu Härten mit Schlagseite zum Überpersönlichen, Okkulten und Metaphysischen, wie die Religionswissenschaftlerin Anna-Katharina Höpflinger in einem Metal-Talk von Metal Storm Concerts überzeugend argumentierte. Die wahre Besonderheit von Metal aber liegt in der Art und Weise, wie Themen musikalisch interpretiert werden.
Wie Kohlenstoff bei der Herstellung von Diamanten werden die inhaltlichen Elemente des Metal unter starkem musikalischen und klanglichen Druck gepresst, verdichtet und dadurch gehärtet. Wie das vonstattengeht? Dazu liefert die aktuelle Metal-Forschung einige erhellende Einsichten. In ihrer datenwissenschaftlichen Studie Charting the Universe of Metal Music Lyrics and Analyzing Their Relation to Perceived Audio Hardness (2024) untersuchen Isabella Czedik-Eysenberg, Arthur Flexer, Oliver Wieczorek und Christoph Reuter das Verhältnis zwischen der wahrgenommenen Härte von Metal-Songs und den jeweiligen Song-Texten. Dafür analysieren sie die jeweiligen akustischen Merkmale von Songs, die in früheren Studien mit bestimmten Härtegraden assoziiert wurden (u. a. Spektralkontrast, Dissonanz, Tonhöhensicherheit). Diese setzen sie in Bezug zu Bestimmungen musikalischer Härte aus der Metal-Forschung, wie sie etwa der Musikwissenschaftler Jan-Peter Herbst an der University of Huddersfield, Queensgate, UK, betreibt. Für Herbst spielen in der Produktion heutiger Metal-Musik u.a. «thickness», «fatness», «fullness» und – als inhaltliche Assoziation – «darkness» eine wichtige Rolle für das, was im Metal als «hart» empfunden wird, sind viele kompositorische und spieltechnische Möglichkeiten doch bereits ausgereizt.
Last but not least untersucht das Forschungsteam, wie sich die klanglich-musikalischen Härtegrade zu den Themen der jeweiligen Songtexte verhalten. Das Ergebnis: Mit Grindcore und Death Metal haben genau diejenigen Subgenres die höchsten klanglich-musikalischen Härte-Werte, in denen die härtesten Themen wie «brutal death» oder «dystopia» dominieren. Softere Themen, etwa «personal life» oder «love & romance», findet man am ehesten in Subgenres, die im klanglich-musikalischen Härte-Ranking untere Plätze belegen (u.a. Symphonic Metal und Folk Metal). Zwar kann man darüber streiten, was eigentlich die «Härte» eines Themas ausmacht und wie sich Härten aus unterschiedlichen Lebensbereichen sinnvoll miteinander vergleichen lassen. Zudem ist ein Thema nicht identisch mit dem Umgang damit – es gibt gleichsam weiche Weisen, mit harten Themen umzugehen und umgekehrt. Ob es überhaupt zielführend ist, Klang, Musik und Text auseinanderzudividieren, ist eine weitere offene Frage, schliesslich treten diese Elemente im Metal fast immer gemeinsam auf. Die Trennung ist künstlich und verändert den Untersuchungsgegenstand. Die Wissenschaftler können aber durchaus nachweisen, dass sich die wahrgenommene Härte im Metal aus einer spezifischen Verbindung von Inhalt (Text) und akustischer Form ergibt, die von Subgenre zu Subgenre variiert. Vielleicht liegt die wahre Härte im Metal ja darin, nicht reflexhaft zu verallgemeinern, sondern zu differenzieren und in Zusammenhängen zu denken?
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