Ist Heavy Metal rechts? Oder ist er nur ein bisschen konservativ? Ist er vielleicht gar insgeheim progressiv? Falls er weder rechts noch progressiv noch konservativ ist, was ist er dann? Was will Heavy Metal eigentlich? Weil Metal anders als Punk (Linksradikalismus) oder Hip-Hop (Black Empowerment) nicht mit einer politischen Bewegung verbunden ist, tauchen diese Fragen immer wieder auf. Offenbar verunsichert Metal Menschen, die Ungewissheit und Uneindeutigkeit nicht aushalten können. Sind sie vielleicht mit FREIHEIT überfordert?

In seinem Buch If the kids are united… Von Punk zu Hardcore und zurück (2006) beklagte der Journalist und Poptheoretiker Martin Büsser: „Alles [im Metal] bleibt Show, sosehr diese auch ins Privateste dringt und sein Extrem bei Metallern findet, die nie ohne Kutte und Gitarren-Schlumpf ins Bett gehen. ,Metal ist eine Lebenseinstellung‘, hört man es raunen. Naja, aber für und gegen was? Mit welchem Inhalt? Gerade weil es innerhalb der Metal-Szene keine tiefer verwurzelte Systemkritik gibt, kein nennenswertes oder gar gemeinschaftliches politisches Bewußtsein, verwischen die Grenzen von rechts und links je nach musikalischen Vorlieben.“ Aber könnten diese Vielfalt und Unbestimmtheit nicht gerade die Vorzüge von Metal sein? Sie bedeuten ja, dass man sich selbst orientieren muss und die Freiheit hat, eine eigene Wahl zu treffen. Und genau das ist der Kern von Heavy Metal in all seiner Vielfalt, Widersprüchlichkeit und Unbestimmtheit: Freiheit.

Viele Metal-Songs handeln von Freiheit, angefangen mit den frühen Aufnahmen Saxons („I’ve got my pride / They can’t take that away / I’m gonna be free / Gonna be free“, „Backs to the Wall“, 1979) über Manowars Song „Return of the Warlord“ (1996) („Time to burn you losers better learn / No one controls our goddamn lives / We’ll do just what we feel riding horses made of steel / We’re here to burn up the night […] I might stay in school or die in prison / Either way it’s my decision, one more beer and heavy metal / And I’m just fine“) bis hin zu Arch Enemys Song „The Eagle Flies Alone“ (2017): „I, I go my own way / I swim against the stream / Forever I will fight the pοwers that be / The eagle flies alone.“ Prägend für Metal ist dabei „negative Freiheit“. Der Philosoph Isaiah Berlin verstand darunter die „Freiheit von“, etwa von Zwang, Druck, Kontrolle. Die Autonomie des Individuums und die Abwehr gegen den Zugriff von Autoritäten, etwa staatlichen, steht im Vordergrund. „Positive Freiheit“ hingegen meint die „Freiheit zu“, also dass Menschen ausreichend Ressourcen zur Verfügung haben, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen oder Träume zu verwirklichen.

Auch in der Metal-Literatur spielt Freiheit eine wichtige Rolle. In Laina Dawes Buch What Are You Doing Here? A Black Woman’s Life and Liberation in Heavy Metal (2012) beispielsweise heisst es: „Ich ermunterte andere, diese Musik zu benutzen, um sich persönliche Freiheit zu verschaffen.“ Das mag in den Ohren mancher widersinnig klingen. Zeichnet sich Metal nicht gerade durch feste Grenzen und Strukturen aus? Und ist Freiheit überhaupt Metal-spezifisch? Immerhin wird auch im Schlager die Freiheit besungen, handeln Soulsongs von Freiheit, besingen Folkmusikerinnen Freiheitsbewegungen, definieren Punkrocker ihre Musik als Hort der Freiheit. All das trifft zu. Doch Freiheit im Metal hat eine andere Qualität. Es ist doch ein ziemlicher Unterschied, ob Reinhard Mey zur Akustikgitarre „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ säuselt oder ob eine Metal-Band durch die schiere Intensität ihrer Musik demonstriert: Freiheit ist ein verdammt hartes Geschäft. Sie muss erarbeitet, sie muss erkämpft werden. Und sie ist eine schwere Aufgabe, denn mit Freiheit geht auch Verantwortung einher. Metal bedeutet, sich dieser Verantwortung zu stellen.