Zwischen Metal und Techno mögen Welten liegen. Eines aber verbindet die beiden: die eminente Bedeutung der Bassdrum. Auf Judas Priests‘ Album Stained Class (1978), das mit Fug und Recht als erstes echtes Metal-Album gelten darf (was Bild UND Klang betrifft!), kommt im Song „Exciter“ prominent die Double Bassdrum zum Einsatz. Sie eröffnet den Song ganz alleine. Und ganz ohne virtuoses Gewirbel. Nicht mehr das jazzig-künstlerisch angehauchte Drumsolo wie noch bei den Metal-Wegbereitern Black Sabbath, sondern eine maschinelle Abfolge schneller, präziser, über zwei Bassdrums abgefeuerte Schläge steht im Vordergrund – ähnlich wie später die unerbittliche, stoische Bassdrum im Techno greift das Metal-Schlagzeug den rigiden Rhythmus der Industriegesellschaft auf. Die Bassdrumschläge erscheinen buchstäblich „am Fliessband“ produziert. Im Zusammenspiel mit Gitarre, Bass, Gesang, verwandelt sie die dröge Fliessbandarbeit jedoch in etwas Neues und Aufregendes: Der Körper des Schlagzeugers wird selbst zur Maschine, das Maschinelle wird dadurch aber menschlicher. Auf dem Album Miss Machine sollten The Dillinger Escape Plan viele Jahre später die Frage stellen: „Is the man half machine or is the machine half man?“
Ist Metal in liberalen westlichen Gesellschaften heute auch weitgehend zur Normalität geworden, so stand er doch in seinen Anfängen für den Versuch des Ausbruchs aus der Normalität des Maschinenzeitalters. Der Metal versuchte und versucht dabei jedoch nicht, wie die Hippies die Industrieära hinter sich zu lassen und „zurück zur Natur“ zu finden. Vielmehr bejaht Metal paradoxerweise diese oft als kalt und seelenlos kritisierte Moderne der Maschinen, der Elektrizität, der technologischen Präzision. Das tut er alleine schon durch den Materialeinsatz: Strom aus Kohle-und Atomkraftwerken, künstliche Verzerrung, immenser technischer Aufwand für Verstärker, Boxen, Bühnen – und eben die Double Bassdrum, wie sie in der Gefolgschaft von Judas Priest auch von Motörhead popularisiert wurde („Overkill“, 1979).
Metallicas Lars Ullrich war einer derjenigen Drummer, die sich von „Overkill“ inspirieren liess: „The drummer that introduced me to that double bass type of thing was Phil Taylor from Motörhead“, sagte er 2011 in der Folge über Thrash der Serie Metal Evolution. Auch Slayers Dave Lombardo ging bei Taylor in die Lehrstunde, wie er in derselben Folge berichtet: „Motörhead was the first time I heard double bass done at that pattern.“
Aus den Doublebass-Salven der frühen Tage entwickelte sich Anfang der 80er Jahre der Blastbeat, wie er unter anderem für den Black Metal und diverse Grind- oder Crust-Subgenres typisch ist. Es galt, den als ältlich und konservativ wahrgenommenen Heavy Metal so zu übersteigern, wie Heavy Metal seinerseits Rock und Hardrock übersteigert hatte. Während im klassischen Metal die einzelnen, präzise gesetzten Schläge wahrnehmbar sind, verschwimmen sie im Blastbeat zu einem Geflirr von Impulsen, bei denen Präzision oft keine Rolle mehr spielt. Hunter Hunt-Hendrix von Liturgy hat kritisiert, dass der übliche Blast-Beat im Black Metal bei der höchsten Geschwindigkeit stagniert (obwohl viele Black-Metal-Bands Blast-Beats durchaus vielfältiger einsetzen), was Hunt-Hendrix als Zeichen von Stillstand, Erstarrung und Tod deutet. Dem setzt Hunt-Hendrix mit seiner Band den sogenannten „Burst-Beat“ entgegen, ein Wechselspiel von Beschleunigung und Verlangsamung, von Bruch und Kontinuität, in dem die Doublebass-Salven immer wieder aufgebrochen werden. In Hunt-Hendrix‘ Aufsatz „Transcendental Black Metal“ (2009) heisst es, der Burst-Beat spiegle „das Leben wider und stimuliert es zugleich. Er dehnt sich aus und zieht sich zusammen wie die Gezeiten, die Wirtschaft, Tag und Nacht, Einatmen und Ausatmen, Leben und Tod“.
Solche hochfliegenden Überlegungen spielten in den Anfangstagen des Metal keine Rolle, zumindest keine uns bekannte. Es ging nicht zuletzt um recht profane Dinge wie: Eindruck schinden! Die Doublebass passt dahingehend perfekt zum klassischen Metal, dass oft zwei voluminöse Basstrommeln (statt nur eine Doppelfussmaschine an einer Drum) zum Einsatz kommen, was auf der Bühne einen umso imposanteren, weil monumentaleren Eindruck macht – diejenige Musik, die wie kaum eine andere für Monumentalität und „harder, faster, louder“ steht, braucht natürlich (mindestens) doppelt so viele Basstrommeln wie Vertreter anderer Genres! Spinal Tap lässt grüssen. Nicht zuletzt spielte die Basstrommel in früheren Formen der Rockmusik eine untergeordnete Rolle, konnte also gut zur Abgrenzung eingesetzt werden. Weder bei den Beatles noch bei den Rolling Stones hatte die Bassdrum einen hohen Stellenwert. Im Metal sorgte und sorgte sie für die körperliche Wucht, die alles erfassenden Vibrationen, und wurde entsprechend immer weiter in den Vordergrund gerückt. Lars Ullrich spielt hier mit seiner mitunter etwas profilneurotischen Akzentuierung der „Kickdrum“ eine massgebliche Rolle, aber auch Live-Techniker, die Bassdrums im Mix immer stärker betonten – wer heute ein Metal-Konzert besucht, hat manchmal Probleme, die Lead-Gitarre, die Stimme oder den Bass zu hören. Eines aber wird man ganz sicher hören: die Bassdrum.
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