Seit den 1960er Jahren überbieten sich Rock- und Metalbands im Knacken von publikumswirksamen Dezibelmarken bei Konzerten, gipfelnd in Rekorden wie denen von Motörhead (130 db, 1986) und Manowar (139 db, 2008 – allerdings nur beim Soundcheck). Zwar liegt die heroische Ära der Lautstärkerekorde schon ein paar Jahre zurück. In den meisten Ländern ist der Konzertbetrieb streng reglementiert und spätestens bei 120 db ist Schluss, sonst droht zu vielen Krankenkassen der Konkurs. Aber gerade im Metal hält sich hartnäckig der Slogan «if it’s too loud, you’re too old».

Was in den Ohren mancher wie pubertäres Gehabe klingen mag, hat auch eine ernsthafte, ernstzunehmende Seite: Metal ist eine Musik, die nicht nur geistig wirken, sondern den ganzen Körper erfassen soll. Dafür muss dieser Körper in Schwingung, in Resonanz versetzt werden. Und dafür braucht es Lautstärke. In Motörheads «Overkill» (1979) wird genau dieses körperliche Erlebnis gefeiert: «On your feet you feel the beat / It goes straight to your spine / Shake your head, you must be dead / If it don’t make you fly.» Die interessante Wendung des Songtexts besteht darin, dass das körperliche Erlebnis in eine Art Transzendenzerfahrung umschlägt. Es geht nicht nur um schiere physische Wucht. Es geht darum, was diese Wucht für geistige und emotionale Erlebnisse auslöst. Es geht, kurz gesagt, um die Resonanz von Geist, Körper, Emotion.

In den Worten des Soziologen und Metal-Fans Hartmut Rosa hat Resonanz stets «ein ‘transgressives’, das heißt ein überschreitendes, überschießendes Moment …: Die Erfahrung geht über das Erwartete hinaus, reißt uns aus dem Ohrensessel, verändert uns in einer Weise, die für uns eine existenzielle Bedeutung hat.» (Hartmut Rosa, When Monsters Roar and Angels Sing, 2023) Viele Metal-Fans haben, vor allem beim Erstkontakt mit der Musik, solche Erfahrungen gemacht. In seiner Forschung kommt Rosa zu dem Schluss, dass die hohe Bedeutung hoher Lautstärke im Metal gerechtfertigt und keineswegs nur ein dumpfes Klischee ist: «Allerdings wird die Erfahrung dessen, was Metal sein und bewirken kann, notwendig verfehlen und verkennen, wer sich der Erfahrung der physischen Wirkung dadurch entzieht, dass er oder sie die Musik nur leise, auf kleinen Lautsprechern und stets mit der entsprechenden analytischen Distanz hört. Die Überzeugung, dass man sich schon vorstellen könne, wie das laut wirke, führt schlicht in die Irre, denn die Differenz zwischen leise und laut ist im Metal keine graduelle, sondern eine kategoriale.» (Ebd.)

Mit dem Ziel einer intensiven Resonanz von Geist, Körper und Emotion ist Heavy Metal unverhofft auf der Höhe der Zeit. Die heutige Forschung interessiert sich vermehrt für Zusammenhänge zwischen körperlichen, geistigen und emotionalen Prozessen, etwa in Schnittstellen-Disziplinen wie der Psychosomatik oder in der Neurophilosophie. Hatte man früher die Bereiche oft säuberlich auseinander dividiert, so führt man sie nun unter den Vorzeichen von Inter- und Transdisziplinarität zusammen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Heavy Metal in dieser Hinsicht immer schon Avantgarde war!